Wie entsteht ein echter Nahtstrumpf?
In einem fertigen Nahtstrumpf steckt eine Menge handwerkliches Können, verbunden mit Präzison und Beachtung für's Detail. Bevor sich die feine Wirkware an Deinen Beinen zeigt, hat sie eine besondere Aufmerksamkeit erfahren. Eine Aufmerksamkeit, welche Deinem Bein einen außerordentlichen Auftritt verschafft- sie also lang vorbereitet exklusiv in Szene setzt. Doch wie funktioniert die Herstellung von Nahtnylons, wir erklären es.
Echte Nahtstrümpfe werden immer auf einer Cottonmaschine hergestellt. Übliche Maschinen waren/ sind bis max. 20 Meter lang, wiegen bis zu 15 Tonnen und bestehen aus ca. 200.000 Einzelteilen. Je nach Maschinenausführung werden auf ein Mal bis zu 36 Strümpfe hergestellt. Auf allen Fonturen laufen parallel die gleichen Arbeitsgänge ab. Verlassen die Rohstrümpfe die Maschine, haben sie zunächst noch die Farbe Weiß. (siehe Bild 1 unten)
Die heute erhältlichen Nahtstrümpfe sind ausnahmslos auf Cottonmaschinen älteren Baujahres gewirkt. Meist sind diese Maschinen sind in den 50er Jahren gebaut worden und haben die Verschrottungswellen in den 60er Jahren überstanden. Nach dem Aufkommen der nahtlosen Damenstrümpfe wurden diese, auch damals schon recht teueren Wirkmaschinen für die Strumpfindustrie nutzlos, da der nahtlose Stumpf eine völlig andere Technologie erfordert.
Der Cottonmaschinenbau hat bis heute überlebt. Die mechanische Steuerung über Kurvenscheiben und Steuerketten wich allerdings einer zeitgemäßen SPS- Steuerung (speicherprogrammierbare Steuerung). Doch für die Feinstrumpfproduktion wurde seit vielen Jahrzehnten keine Maschine mehr gebaut. Auf den heute produzierten Cottonmaschinen werden andere textile Flächenwaren gewirkt.Dennoch braucht keine Frau Angst davor zu haben, keine Nahtstrümpfe mehr bekommen zu können, sollten die alten Maschinen eines Tages nicht mehr funktionieren. Es bedarf "nur" eines willigen Investors und es ließe sich eine neue Cottonmaschine bestellen. Mit ihr würden sich all die Vorteile moderner Steuerungstechnik bieten: schneller Wechsel zwischen der Grössen und Fersenformen, ein Wechsel in den Formen der Fussbetten, schnellere Taktzeiten... .
- Ca. 600 Nadeln sind an der Entstehung eines Strumpfes beteiligt
- Die Nadelstärke beträgt 0,15 mm
- Ein Strumpf besteht aus schätzungsweise 2 Millionen Maschen oder 5.000 Metern Garn
- Das Wirken von Feinstrumpfwaren war und ist sehr Temperatur- und Luftfeuchteempfindlich
Der Unterschied Wirken versus Stricken
Wirken
[caption id="attachment_11806" align="alignnone" width="194"] Cottonmaschine zur Strumpfherstellung[/caption]
Abbildung 1: TEXTIMA Cottonmaschine zur Strumpfherstellung Quelle: Deutsche Fotothek; Creative Commons
Nähen
[caption id="attachment_11807" align="alignleft" width="245"] Abbildung 2: Eine Näherin an einer Strumpfnähmaschine[/caption]
[caption id="attachment_11808" align="alignnone" width="524"] Abbildung 3, Details einer Strumpfnähmaschine[/caption]
Färben & Fixieren
[caption id="attachment_11809" align="alignnone" width="300"] Abbildung 4: Strumpfherstellung in Arbeitsschritten. Die Fotografien wurden in den 30 er- Jahren in den ROGO- Werken Oberlungwitz aufgenommen.
Quelle: Frohwein, E.:Die Romantik des Strumpfes, 1936[/caption]
Maschenbildung auf der Cottonmaschine
Wie eine Maschenreihe eines Nahtstrumpfes entsteht, das läßt sich nur schwer mit einfachen Worten erklären. Vielleicht hilft es, eine kleine Vereinfachung zu finden, die einer Cottonmaschine ziemlich nahe kommt: stellt Euch einen Kamm vor, der an den Enden seiner Zinken kleine Haken hat. Dieser Kamm wird waagerecht eingespannt und vor seinen Zinken legt man einen dünnen Faden. Damit sich Maschenschlaufen bilden können, kommt ein zweiter Kamm von hinten, drückt seine Zinken zwischen die Zinken des ersten Kamms. Der Faden wandert dabei mit zwischen die Zinken und bildet dabei von oben betrachtet eine Wellenlinie. Dann bewegt sich der Kamm mit den kleinen Zinken am Hakenende nach unten... so entsteht eine Schlaufe. Nicht ganz einfach zu verstehen? Sag ich doch ;-)
Eine Cottonmaschine für die Strumpfherstellung besitzt natürlich keine Kämme, sondern allerlei Nadeln und Platinen. Die Nadeln bilden die Maschen und die Platinen bilden die Schlaufen ("Fadenwelle" vor den Nadeln).
Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen Detaildarstellungen einer Cottonmaschine.
Die Maschenbildung auf einer Cottonmaschine
Minderung der Maschenzahl eines Nahtstrumpfes:
Der Strumpf wird mit einer sich verändernden Maschenanzahl hergestellt. Die meisten Maschen weist der Oberschenkelbereich auf. In Richtung Knie, weiter über die Wade bis hin zur Fußspitze wird die Maschenzahl immer geringer. Dieses Mindern sichert eine verbesserte Paßform des Nahtstrumpfes sowie sorgt für ein gleichmäßiges Aussehen des Strumpfes am Bein.
Auf der Abbildung ist es graphisch kurz erkäutert, wie das Mindern funktioniert. Im unteren Bildteil sehen wir die Ausgangssituation vor der Minderung mit hier acht Maschen. Beim Mindern - also der Verringerung der Maschenanzahl - werden zwei Maschenschlaufen auf eine Nadel genommen. An Stelle der grün hinterlegten Zahlen können wir uns die Zungennadeln vorstellen, welche die Maschen halten.
Nylon, Perlon; Fachbegriffe
Auch die Welt der Strümpfe hat ihre eigenen Fachbegriffe. Nylon, Perlon, Denier, Dezitex, Gauge, Monofilament
Nylon oder Perlon- wo ist denn da der Unterschied?
Eigenschaften des Nylons:
Was bedeuten die Bezeichnungen den, dtex und Gauge?
Gauge [gg]
ist eine englische Masseinheit. Sie beschreibt die Anzahl der Nadeln in einer 38,1mm- Sektion der Cottonmaschinen. Man kann sagen, je höher die Gauge- Zahl, desto dichter das Maschenbild des Strumpfes. Übliche Gaugezahlen sind 51 und 60.
Die dichteste "Feinheit" waren Ende der 50er Jahre 90 gg.
Zum Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren Cottonmaschinen in folgenden Feinheiten erhältlich:
45 gg; 48 gg; 51 gg; 60 gg; 66 gg; 75 gg; 90 gg.
Garne früher und heute
Das "Auge" im Strumpf
Dies ist eine Erfindung von Fachleuten aus der Neuzeit. Damit ist das Abschlußloch im Doppelrand gemeint, doch wie schon einleitend erwähnt, dieser Begriff fand sich in keiner Fachliteratur aus der Blütezeit der Nahtstrümpfe. Weder in alten Büchern, die sich mit dem Herstellungsverfahren, oder der Qualitätssicherung befassen, noch in diversen Druckpublikationen zur Verkaufsförderung.